Die Umwelt – die nächste Herausforderung für die Industrie 4.0

  • CSR

    23 July 2021

Die Umweltproblematik ist eng mit der Problematik der Industrie verknüpft – allein schon wegen der Auswirkungen der Industrie auf die Umweltverschmutzung. In Frankreich stößt die Industrie schätzungsweise 17,8 % der Treibhausgase aus [1]. Dennoch haben die Industrieunternehmen das Ausmaß der gegenwärtigen und zukünftigen Krise noch nicht in vollem Umfang erkannt. Die Industrie 4.0 und die digitalen Technologien haben die Industrie, so wie wir sie kennen, tiefgreifend verändert und werden dies auch weiterhin tun. Daher muss die Frage der Umwelt im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen.

Die Umwelt, ein Anliegen der Industrie seit dem 19. Jahrhundert

Die Umweltproblematik ist in der Industrie nicht neu. Bereits 1864, mitten in der zweiten industriellen Revolution, beschäftigte sich George Perkins Marsh, der als der erste amerikanische Umweltschützer gilt, mit dem Einfluss der Menschheit auf ihre Umwelt: „Das zerstörerische Wirken des Menschen ist mit zunehmender Zivilisierung immer energischer und unerbittlicher geworden”[2].

In jüngster Zeit hatten bereits viele Unternehmen die nachhaltige Entwicklung als Garant für Wachstum und Leistung für sich entdeckt [3]. Dabei ging es darum, eine Reihe von Verpflichtungen zugunsten einer umwelt- und menschenrechtsfreundlichen Entwicklung der Wirtschaft zu fördern. Heute sind die meisten Unternehmen gezwungen, ökologische und soziale Belange in ihre Strategien zu integrieren, vor allem in ihrer  Öffentlichkeitsarbeit.

Die Industrie 4.0, die mit der Schaffung einer vernetzten und agileren Fabrik und mit Hilfe digitaler Werkzeuge die industriellen Prozesse tiefgreifend verändert hat, berücksichtigt diese Problematik. Im Streben nach einer konstanten Optimierung würde die Industrie 4.0 nämlich den Energie- und Ressourcenverbrauch senken und gleichzeitig die Produktion verbessern. Die Frage ist nur, welche Auswirkungen diese Digitalisierung auf die Umwelt hat.

Ist die Digitaltechnologie wirklich nachhaltig?

Neue digitale Werkzeuge wie Cloud, AI und andere so genannte „intelligente“ Systeme scheinen die nachhaltige Entwicklung zu begleiten. Sie können dem Unternehmen sogar finanziell nutzen: Kostensenkungen, Schaffung neuer Dienstleistungen, Umsatzsteigerung, Kundenbindung und Imageverbesserung usw.

Wie sieht die Digitaltechnologie in der Praxis aus? E-Mails, Videostreams, Daten aller Art, Speicherung und Transport dieser Daten, allgegenwärtige soziale Medien … Auf den ersten Blick nichts wirklich Greifbares. Aber bedeutet das automatisch, dass sie nicht umweltschädlich ist? Die Architektur der digitalen Technologie und ihre gesamte reale und konkrete Anwendung basieren auf elektronischen Geräten.

Und genau das ist das Problem, denn diese Geräte verbrauchen eine nicht unerhebliche Menge an Strom. Die Europäische Kommission schätzt den Energieverbrauch und den ökologischen Fußabdruck der Digitaltechnologie auf 5 bis 9 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs und auf mehr als 2 Prozent aller Treibhausgasemissionen [4].

Dieser Stromverbrauch hängt mit der Zunahme des Datenverkehrs zusammen, und zwar sowohl in Bezug auf das Volumen als auch auf die Anzahl der Objekte, die in Kürze vernetzt werden sollen. Diese Geräte verwenden immer mehr seltene Rohstoffe: man braucht 80 Mal mehr Energie, um ein Gramm Smartphone herzustellen als ein Gramm Auto [5]. Ihre Herstellung ist oft umweltschädlich und wasserintensiv (eine Ressource, die generell schon gefährdet ist); sie besitzen einen ziemlich kurzen Lebenszyklus (ganz zu schweigen von der programmierten Oboleszenz) und erzeugen einen elektronischen Abfall, der sich bisher nur schwer recyceln lässt.

Die Umweltproblematik als zentrales Anliegen der Industrie der Zukunft

Letztendlich unterscheidet sich die Digitaltechnologie nicht von anderen Industriegütern, und die negativen Umweltauswirkungen sind die gleichen wie in anderen Branchen. Die Frage ist nicht, ob die Nutzung der Digitaltechnologie positiv oder negativ ist, sondern ob die derzeitige Situation noch tragbar ist. Die Antwort lautet nein. Das Problem der Umweltverschmutzung wird nicht gelöst werden, wenn es weiterhin ignoriert oder von Generation zu Generation verschoben wird.

Es fehlt jedoch nicht an guten Vorgehensweisen: Akteure wie Facebook, Apple und Google gehen den Weg eines Internets, das zu 100 % aus erneuerbaren Energien gespeist wird. Das Projekt Natick von Microsoft ist ein weiteres konkretes Beispiel: Es zielt darauf ab, den Verbrauch erneuerbarer Energien zu reduzieren und technologische Innovationen in diesem Sinne zu nutzen [6].

Wir müssen optimistisch bleiben und Fortschritt und Technologie als eine Lösung im Kampf gegen die Umweltverschmutzung sehen. Aber wie lange können wir noch auf die Zukunft setzen, ohne uns auf die Gegenwart zu konzentrieren?

Wir dürfen uns nichts vormachen: Damit die zukünftigen Generationen leben können, muss die Reduzierung der Umweltauswirkungen in allen Industriezweigen höchste Priorität haben. Dies soll unserer Gesellschaft die Möglichkeit geben, nicht auf ihre Lebensweisen und ihre Wirtschaft zu verzichten, aber dies erfordert ein Bewusstwerden und sofortiges Handeln. Wir müssen aufhören mit dieser Zwiespältigkeit, mit den leeren Phrasen über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung, auf die keine Taten folgen. Die nächste industrielle Revolution muss ein Umdenken sein und die Lösung dafür finden, wie die umweltgerechte Gestaltung von Anfang an in den Designprozess integriert werden kann.

 

[1] Voiture, industrie, viande… Quelles sont les causes du réchauffement climatique en France ? (Autos, Industrie, Fleisch … Was sind die Ursachen der globalen Erwärmung in Frankreich?) Le Monde, veröffentlicht am 08.07.2019

[2] Georges Perkins Marsh, Man and Nature, or Physical Geography as Modified by Human Action

[3] „Our Common Future“ (Unsere gemeinsame Zukunft), veröffentlicht 1987

[4] Mitteilung der Europäischen Kommission „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“, veröffentlicht am 19.02.2020

[5] Digitale Umweltverschmutzung, was ist das? Greenpeace

[6] “Le datacenter immergé de Microsoft remonte à la surface” (Das Unterwasser-Rechenzentrum von Microsoft taucht wieder auf, Le Monde Informatique, veröffentlicht am 15.09.2020

Industrie Umwelt